Zwangsheirat

Eine besondere Form von Gewalt, von der in Deutschland, fast ausschließlich nur Migrantinnen betroffen sind, ist die Zwangsverheiratung. Betroffene kommen oftmals aus Familien, die einen traditionell-patriarchalischen Hintergrund haben. Somit kann man den Kreis der Betroffenen nicht auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder Religion beschränken. Bekannt sind Fälle aus muslimischen Familien aus der Türkei, arabischen und afrikanischen Ländern, aus christlichen Familien aus Südosteuropa sowie aus hinduistischen Familien beispielsweise aus Sri Lanka.

Was genau bedeutet Zwangsverheiratung oder Zwangsehe?

Gemeinsame Merkmale bei allen Definitionen von Zwangsverheiratung sind, dass nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch psychischer Druck und emotionale Erpressung als Mittel zur Zwangsverheiratung genannt werden. Häufig werden Mädchen und Frauen zur Heirat gezwungen, indem man das gesellschaftliche Ansehen der Familie, die Ehre, der Ruf von ihrer Zustimmung oder Ablehnung der Heirat abhängt.

Man unterscheidet zwischen 4 unterschiedlichen Arten von Zwangsehen:

  • In Deutschland geborene, hier aufgewachsene Frauen und Männer werden in               Deutschland verheiratet.
  • „Importbräute“: Hier wird (in den meisten Fällen) ein hier lebender Mann mit einer Frau  aus dem Herkunftsland verheiratet. Diese Frauen leben oft sehr eng mit den Schwiegereltern zusammen. Sie haben wenig oder keine eigenen sozialen Kontakte;   kaum Zugang zu Bildungsmöglichkeiten oder Spracherwerb. Die Frauen sind finanziell    und aufenthaltsrechtlich von ihren Ehemännern abhängig.
  • „Ferienverheiratung“: Diese Form von Zwangsverheiratung betrifft meist Mädchen und Frauen, die in Deutschland geboren und/oder aufgewachsen sind. Sie werden ohne     ihres Wissens in den Ferien verheiratet. „Ferienverheiratung“ wird auch als Strafe bei Jugendlichen angewandt, die durch ihr „westliches Verhalten“ die „Familienehre“ gefährden. Durch die Verheiratung wird somit eine soziale Kontrolle der jungen Frauen erreicht.
  • Zweckehe zur Einwanderung: Bei dieser Form wird die Verheiratung als Mittel zur Einwanderung genutzt. In manchen Fällen werden die jungen Frauen mit Verwandten verheiratet (Cousins), um den Zusammenhalt der Familie zu festigen und in der Heimat gebliebenen Verwandten ein besseres Leben in Deutschland zu ermöglichen.

Achten Sie auf Hinweise einer möglichen Zwangsverheiratung!

Heiratspläne werden oft angekündigt. Folgendes können mögliche Hinweise sein:

  • Sie spüren, dass etwas passieren wird- Vertrauen Sie ihrem Gefühl!
  • Es wird Ihnen viel Aufmerksamkeit geschenkt.
  • Ihre Eltern empfangen vermehrt Besuch, auch von nahen Verwandten- sie sollen anwesend sein.
  • Sie werden in Ihrem Alltag eingeschränkt und sollen beispielsweise die Schule,    Ausbildung oder ihre Arbeit vernachlässigen oder gar kündigen.
  • Sie werden geschlagen, bedroht und beschimpft.

Ist Zwangsheirat in Deutschland erlaubt?

Seit dem Jahr 2005 ist Zwangsheirat in Deutschland verboten. Bislang ist es im Strafgesetzbuch als Straftatbestand der besonders schweren Form der Nötigung (§ 240 Abs. 4 StGB) erfasst. „Die Nötigung zur Eingehung der Ehe“ kann zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren führen. Im November 2010 hat der Bundesrat einen neuen Gesetzesentwurf beschlossen. Der neue Gesetzesentwurf ist ein eigener als „Zwangsheirat“(§ 234b StGB) bezeichneter Straftatbestand. Das Strafmaß soll bis zu 10 Jahren erhöht werden. Damit wird deutlich gemacht, dass Zwangsheirat in Deutschland auf keinen Fall toleriert wird.Ist die Zwangsehe bereits geschlossen und wenn jemand den Körper die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person widerrechtlich verletzt oder damit droht (§ 1 GewSchG), können auch Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt werden.

Gilt das Gesetz auch bei einer erzwungenen religiösen Trauung wie z.B. der Imam-Ehe bzw. Hoca-Ehe?

Für viele Familien haben die sogenannten Imam-Ehen eine größere Bedeutung als standesamtlich geschlossene Ehen. Die religiös geschlossenen Ehen sind vor dem deutschen Recht nicht rechtsgültig, so dass hier juristisch nicht von einer Zwangsehe gesprochen werden kann. Aber andere strafrechtlich wichtige Straftatbestände können wichtig sein, beispielweise Körperverletzung, Nötigung zu einer sexuellen Handlung oder Vergewaltigung.

Können Sie wieder nach Deutschland zurück, wenn Sie in den Ferien im Ausland gegen Ihren Willen verheiratet wurde?

Bisher sieht das Rückkehrrecht der im Ausland verheirateten jungen Frauen vor, dass eine Frist von 6 Monaten eingehalten werden muss. Schaffen sie es nicht in dieser Zeit wieder nach Deutschland einzureisen, verfällt ihre Aufenthaltserlaubnis. Die Betroffenen können innerhalb von 10 Jahren wieder nach Deutschland einreisen- vorausgesetzt, sie erbringen einen Beweis, dass sie „rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurden“(§ 51 Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Dieser Antrag muss drei Monate nach Wegfall der Zwangslage gestellt werden.

Wie sieht es mit Ihrem Aufenthalt aus?

Ist Ihr Aufenthalt abhängig von Ihrem Ehemann, erhalten Sie Ihren eigenständigen Aufenthalt nach drei Jahren Ehe. Sie haben jedoch die Möglichkeit einen Härtefallantrag zu stellen, um ihren Aufenthalt vorher zu verlängern (§ 31 AufenthG). In solchen Fällen arbeiten wir eng mit dem Ausländer- und Flüchtlingsbüro und dem Jugendmigrationsdienst zusammen.

„...aber wir haben sie doch vor die Wahl gestellt. Sie hätte auch NEIN sagen können.“

In einigen Ländern gibt es die sogenannte „arrangierte Ehe“: diese wird von den Eltern oder Verwandten oder von Ehevermittlern organisiert und im (offiziellen) Einverständnis der zukünftigen Ehepartner geschlossen. Von außen ist es schwierig eine arrangierte Ehe von einer Zwangsheirat zu unterscheiden. Das allein kann nur die Betroffene selber beurteilen. Aussagen, wie: „Meine Tochter hatte eine Chance NEIN zu sagen. Wir haben sie nicht gezwungen. Es ist das Beste für sie. Wir würden doch nie etwas tun, was ihr schaden würde.“ beeinflussen die jungen Frauen. Resultat ist, dass sie tatsächlich keine Chance haben NEIN zu sagen. Das, was die Eltern als sanften Druck verstehen, kann bei den Betroffenen eine große psychische Stresssituation verursachen. Subjektiv wird dies als Nötigung und Zwang wahr genommen. Die Betroffenen müssen befürchten, dass ein NEIN ein Verlust der Familie bedeutet, dass sie ihre Familie „verlieren“. Sie müssen sich zwischen ihrer Familie und ihren eigenen freien Willen entscheiden.

Was sind die Folgen von Zwangsverheiratung?

Mädchen und junge Frauen, die zwangsverheiratet werden, leiden unter seelischen und körperlichen Folgeerscheinungen. Depressionen, chronische psychosomatische Belastungsstörungen, Essstörungen, Selbstverletzungen und Suizide können eine Folge von Zwangsverheiratungen entstehen. Sie sind oft extremen Druck der eigenen Familie ausgesetzt; werden bedroht, beschimpft, geschlagen. Der Druck wird auch nach der Hochzeit fortgesetzt, indem die Frauen dem Ehemann und seiner Familie gehorchen müssen. Die Frauen leben oftmals in ständiger Angst vom aufgezwungenen Ehemann sexuell bedrängt oder vergewaltigt zu werden.